Fernschreib Code nach MfS GVS 16/50

Kategorisierung:	Chiffriermaschinen und Dekodierschablonen
Herkunft / Verwendung:	Dieser Code beschreibt das Verfahren zum manuellen verschlüsseln von Fernschreiben nach Dienstanweisung GVS 16/50 des Ministerium für Staatssicherheit (MfS) der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik (DDR). Er war in den 1950er Jahren im Einsatz, wie sich Fregattenkapitän Johannes Riebe erinnert ²: Chiffrierverbindungen 001 bestanden zur HVA, zu den Divisionen Prenzlau, Eggesin. Nach Prora wurde die Chiffrierverbindung dahingehend aufrecht erhalten, daß die wichtigsten geheimzuhaltenden Texte, so u. a. Namen, Geburtsdaten u. a., in den Fernschreiben durch Ersetzen von Buchstaben bearbeitet wurden. (Anm. d. Red.: gemeint ist dieses Verfahren) Der so durch Buchstabengruppen erarbeitete Klartext wurde mit schwarzer Ausziehtusche unkenntlich gemacht. Bei Eingängen wurde in umgekehrter Reihenfolge gehandelt. Da wurden die Buchstabengruppen mit schwarzer Ausziehtusche unkenntlich gemacht und der Klartext eingefügt. Dieses Verfahren wurde 1953 außer Kraft gesetzt. Das Chiffrierverfahren 001 wurde zum Hauptverfahren. Das Verfahren wurde nicht nur bei der Marine, sondern auch im Ministerium des Innern (MdI), der Volkspolizei und der kasernierten Volkspolizei eingesetzt. Haupteinsatzzweck war das verschlüsseln von brisanten Stellen in Fernschreiben, allerdings kann das Handverfahren natürlich auch für andere Zwecke, wie per Briefpost übermittelte Schreiben eingesetzt werden. Die codierte Nachricht ist in folgendem Format niederzuschreiben: `Zl,Sp/Zl,Sp/Zl,Sp/Zl,Sp/Zl,Sp/...` wobei "Zl" für die Zeilennummer und "Sp" für die Spaltennummer steht, in dem der betreffende Buchstabe steht. Die Zeilennummer wird dabei zuerst genannt, darauf folgt, mit Komma, aber ohne Leerzeichen getrennt die Spaltennummer. Mit der Kombination "Zl,Sp" ist ein Buchstabe spezifiziert. Die nächste Spezifikation folgt nach einem Querstrich ("/"). Die Tabelle verfügt nur über die Buchstaben A bis Z. Darum werden Satzzeichen wie folgt geschrieben: Für einen Punkt (".") wird ein "X" verwendet; für den Doppelpunkt (":") ein "R", für ein Minuszeichen ("-") ein "U", für ein Fragezeichen ("?") ein "A" und für ein Gleichheitszeichen ("=") ein B. Zwischenräume, also Leerzeichen werden ausgelassen. Da es sich bei dem Verfahren um eine homophone Substitution handelt, ist es für heutige Maßstäbe nicht sonderlich sicher.

Analyse der Chiffre und Beschreibung des Algorithmus

,	1	2	3	4	5	6	7	8	9	10	11	12	13	14	15
1	O	N	Y	E	I	A	S	N	R	S	Y	F	Z	X	J
2	H	E	E	Y	V	L	C	N	E	P	I	R	B	C	Y
3	A	E	N	Q	A	S	H	O	G	H	L	A	L	O	M
4	E	Y	A	R	H	X	A	Y	I	R	H	Q	C	I	X
5	I	L	X	F	J	H	U	R	C	D	M	Y	F	Y	L
6	A	B	S	A	Y	C	L	K	A	X	T	L	A	V	T
7	E	C	H	L	U	B	G	O	Y	B	N	H	V	D	R
8	N	N	U	J	W	Y	C	M	N	S	V	F	X	U	P
9	R	T	G	I	Z	N	V	N	Y	X	A	K	I	L	G
10	S	C	H	R	K	B	X	M	S	N	L	R	H	B	A
11	U	I	O	H	D	L	C	R	N	Q	X	X	W	Y	V
12	F	A	J	X	X	A	F	C	N	L	M	G	T	S	G
13	D	X	U	W	P	T	L	X	M	U	L	T	B	A	I
14	Z	T	K	I	K	U	C	V	D	A	N	K	U	H	A
15	Y	H	M	L	F	L	A	L	B	G	L	H	P	H	R
KRYPTOGRAFIE.DE

Die Chiffre ist eine Substitutionstabelle mit 15 Zeilen zu 15 Spalten, also 225 Positionen, in denen die Buchstaben A bis Z verteilt sind. Es ergibt sich, dass mehrere Tabellenplätze mit denselben Buchstaben belegt sind, sich beim Kodieren also eine Auswahl ergibt, welcher Tabellenplatz benutzt werden soll.

Häufige Buchstaben sollten dabei aus Sicherheitsgründen eigentlich mehr Tabellenplätze als seltene haben. Dies ist hier nur bedingt der Fall. Trotzdem ist der Code als homophon zu bezeichnen.

Die Verteilung der Buchstaben nach Anzahl stellt sich wie folgt dar:

A   B   C   D   E   F   G   H   I   J   K   L   M
18  8   11  5   7   7   7   15  10  4   6   18  7

N   O   P   Q   R   S   T   U   V   W   X   Y   Z
14  5   4   3   11  8   7   9   7   3   14  14  3

Auffallend ist, dass einige seltene Buchstaben wie "X" und "Y" 14 Plätze haben und damit doppelt soviele wie das am häufigst vorkommende "E". Das entspricht normalerweise nicht der angestrebten Architektur einer homophonen Chiffre.

Die obige Tabelle wurde der Quelle ¹ entnommen. Diese gibt aber gleichzeitig ein Beispiel an, dass dieser Tabelle in einzelnen Teilen widerspricht:

Klartext:

An das Ministerium fuer Staatssicherheit Berlin
Abteilung Nachrichtenwesen

Fernschreibmaschine ist in Berlin gestohlen.

Verwaltung fuer Staatssicherheit Brandenburg
gez. S c h r e i b e r, vp-kdr.

Kodierung (Fernschreibformular und Geheimtext):

-MFS-POTSDAM SCHL.NR.374 FS.NR.12 18.10.50 0950 UHR KRELLMANN=
AN DAS
MINISTERIUM FUER STAATSSICHERHEIT BERLIN
ABTEILUNG NACHRICHTENWESEN

12,1/2,2/10,4/3,3/7,1/7,2/10,3/9,1/2,2/5,1/2,5/15,3/6,1/10,1/7,2/
1,2/5,1/8,1/1,4/9,4/7,1/13,12/14,4/8,2/10,7/1,7/9,1/6,2/11,2/2,1/
9,3/3,2/6,3/2,9/1,1/7,3/6,2/9,2/9,3XX

VERWALTUNG FUER STAATSICHERHEIT BRANDENBURG
GEZ. S C H E I B E R VP-KDR.

Mit der obigen Tabelle dekodiert ergibt "12,1/2,2/10,4/..." allerdings

FERNECHREIVMASCNINEIETINXSRBIHGESEOHBTG

statt

FERNSCHREIBMASCHINEISTINBERLINGESTOHLEN

Die abweichenden Buchstaben sind unterstrichen. Die Abweichung kann aus zwei Ursachen herrühren: 1. Die obige Tabelle ist richtig und der Übersetzer hat Fehler gemacht oder 2. Die obige Tabelle ist falsch und der Übersetzer hat richtig gearbeitet.

Da mir aber keine weitere Quelle bekannt ist, die diese Tabelle aufführt und es auch nicht ausgeschlossen ist, dass es mehrere Tabellen mit unterschiedlichen Werten zu unterschiedlichen Zeiten oder Orten gab, sollte die obige Tabelle nur als Beispiel und nciht für alle Fälle maßgeblich angesehen werden.

Beispiel für die Kodierung / Dekodierung mit obiger Tabelle

Klartext:	Beispielklartext
Chiffrat:	13,13/7,1/4,14/12,14/2,10/1,5/2,3/6,7/14,5/3,13/10,15/7,15/9,2/3,2/13,8/6,15

Code / Chiffre online dekodieren / entschlüsseln bzw. kodieren / verschlüsseln (DeCoder / Encoder / Solver-Tool)

Quellen und weiterführende Links

1. Beschreibung der Chiffre auf der Website von Jörg Drobick
2. Erwähnung des Verfahrens, Erinnerungen eines Fregattenkapitäns, auf der Website von Jörg Drobick