Houdini Code

Herkunft / Verwendung: Harry Houdini (24. März 1874 – 31. Oktober 1926) war einer der berühmtesten Magier, Befreiungskünstler und Stunt-Darsteller, der jemals gelebt haben. Er inszenierte Unterwasser-Stunts, die Mediziner dadurch verblüfften, dass er so lange den Atem anhalten konnte. Er brach aus Verpackungskisten aus, die von lokalen Tischlern auf der Bühne aufgebaut wurden. Vor dem erstaunten Publikum ließ er einen Elefanten (nicht nur ein Kaninchen) verschwinden und er ging durch eine Backsteinmauer. Er selbst nannte sich den Meistermagier seiner Zeit und er hatte wohl Recht damit.

Bei seinen Zauberkunststücken assistierte ihm seine Frau Beatrice, kurz Bess genannt. Mit ihr benutzte er eine selbst erfundene Geheimsprache, den "Houdini-Code". Es war mehr eine Verschleierungssprache, bei der unauffällige Worte für Ziffern standen, die Houdini mit seiner Frau zur verdeckten Kommunikation verwenden konnte, um Anweisungen zu geben und die dem Publikum unverdächtig vorkommen sollten.

Dazu benutzte er für jede der zehn Ziffern häufig benutzte Wörter, von eins beginnend: Pray (1), Answer (2), Say (3), Now (4), Tell (5), Please (6), Speak (7), Quickly (8), Look (9), Be quick (0/10). Wobei "be quick" eine Sonderstellung einnimmt und für Null oder Zehn stehen kann. In deutsch entsprechen die Wörter etwa: Bete, antworte, sage, jetzt, erzähle, bitte, rede, schnell, schau, beeil dich.

Houdini sagte dann beiläufig die unauffälligen Worte und nur seine Frau Bless verstand, was sie bedeuteten, hatte doch auch sie die Wortliste auswendig gelernt und wusste, dass zum Beispiel "Speak" für die Sieben stand. "Speak" stand aber auch gleichzeitig für den siebten Buchstaben im Alphabet, dem "G" (siehe Buchstabenwert). Für die Buchstaben nach "J" (wofür "Be Quick" steht) werden die Worte zusammengefasst, um die Werte 11 bis 26 bilden zu können. Der Buchstabe "S" zum Beispiel ist der 19. im Alphabet und wird deshalb durch "Pray-Look" (1/9) ausgedrückt. Diese beiden Wörter wurden zusammenhängend gesprochen.

Ein Beispiel, wie der Code angewendet werden kann, ist: Bess steht auf der Bühne, die Augen verbunden und gibt vor, sich in Trance versetzt zu haben und jetzt Houdinis Gedanken lesen zu können, weil die beiden so eng miteinander verbunden sind. Houdini geht durch das Publikum und wählt einen zufälligen Gast heraus. Er lässt sich den Ausweis zeigen und liest dessen Vorname: "Adam" heißt der gute Herr. Dann lässt er - natürlich ohne den Vornamen selbst zu nennen und mit der Ermahnung, dass niemand im Publikum laut vorlesen darf - den Ausweis weitergeben. Die Besucher der Show sollen sich schweigend den Vornamen einprägen.

Das lässt Houdini genügend Zeit, mit Bess zu reden. Er redet viel. Über die Verbindung zwischen ihnen, über gemeinsame Erinnerungen, über die Aufgabe, den Vornamen des Herren per Telepathie zu empfangen. Währenddessen rechtnet Houdini nebenbei das "Adam" zuerst in die Werte 1, 4, 1, 13 um und dann in die Worte "Pray, Now, Pray, Pray-Say". Diese lässt er im Gespräch mit Bess zwischendrin fallen.

Bess hingegen muss nur auf die geheimen Schlüsselwörter achten, erkennt damit "Pray, Now, Pray, Pray-Say" und somit "Adam". Nach ein bisschen Schauspielerei, dass jetzt die Erkenntnis in sie gefahren ist, verkündigt sie dann dem gespannten und mucksmäuschenstillen Publikum, dass sie "Adam" empfangen habe. Die Leute im Publikum, die den Vornamen auf dem Ausweis gelesen haben, bejahen lautstark, dass das stimmt und ein erstauntes und bewunderndes Raunen geht durch die Menge - dabei war der Trick so einfach.

Bless plauderte den Code übrigens gegenüber Harold Kellock aus, und der veröffentlichte ihn 1928 in seiner Biografie. Dadurch schuf sie sich selbst eine Stolperfalle. Denn eigentlich wollte sie auf eine Nachricht ihres Mannes Harry aus dem Jenseits warten und als Erkennungszeichen sollte der Geheimcode dienen, um sicherzustellen, dass es sich auch wirklich um ihren Mann handele.

Und wirklich, 1929, drei Jahre nachdem Harry verstorben war, gab das Medium Arthur Ford vor, die folgende Nachricht in einer Séance von Harry Houdini empfangen zu haben:
Rosabelle, answer, tell, pray-answer, look, tell, answer-answer, tell.
"Rosabelle" ist ein Lied, das Bless gerne sang und der Rest lautet dekodiert: "believe", also "glaube". Zuerst glaube Bless an die Echtheit der Nachricht, doch dann fiel ihr wieder Harold Kellocks Biografie ein, die vor einem Jahr veröffentlicht wurde. Ford hätte auch einfach die Nachricht selbst anhand der Biografie konstruiert haben können. Bless glaubte deshalb Fords Ausführungen nicht. 1936 hörte Bless dann auf an spirituellen Sitzungen teilzunehmen und meinte, dass zehn Jahre genug wären, auf die Rückkehr eines Mann zu warten.

Zu dem Gerücht, dass Houdini von den Toten zurückkehren würde, meinte der Kurator der Houdini Magical Hall of Fame, Henry Muller:
Houdini never said he could come back. He just thought that if anybody could do it, it would be him.
Übersetzt etwa: "Houdine sagte niemals, dass er [nach seinem Tod] zurückkehren würde. Er sagte lediglich, wenn das jemand schaffen könnte, dann wäre er das."

Funktionsweise des Codes und Beispiele

WortZiffer(n)Buchstabe
Pray 1A
Answer 2B
Say 3C
Now 4D
Tell 5E
Please 6F
Speak 7G
Quickly 8H
Look 9I
Be quick0 oder 10J
Pray-Pray11K
Pray-Answer12L
Pray-Say13M
Pray-Now14N
Pray-Tell15O
Pray-Please16P
Pray-Speak17Q
Pray-Quickly18R
Pray-Look19S
Answer-Be quick20T
Answer-Pray21U
Answer-Answer22V
Answer-Say23W
Answer-Now24X
Answer-Tell25Y
Answer-Please26Z

Beispiele

Klartext:Adam (zum Beispiel auf die Frage des Vornamens des Gastes laut dessen Ausweis)
Kodiert als Buchstabenwerte:1 4 1 13
Kodiert als Wörter:pray, now, pray, pray-say



Klartext:N 51 23.456 E 011 56.789
Kodiert:pray-now, tell, pray, answer, say, now, tell, please, tell, be quick, pray, pray, tell, please, speak, quickly, look


Code / Chiffre online dekodieren / entschlüsseln bzw. kodieren / verschlüsseln (Decoder / Encoder / Solver-Tool)

Quellen, Literaturverweise und weiterführende Links

Bauer, Craig: Unsolved! The History and Mystery of the World's Greatest Ciphers from Ancient Egypt to Online Secret Societies, Princeton University Press, 2017, S. 316
Wikipedia Artikel über Harry Houdini