Crib bzw. bekannter Klartextteil / Known-Plaintext-Attack
Ein Crib ist ein mit hoher Wahrscheinlichkeit in einem Klartext vorkommendes Wort. Bei der Kryptoanalyse hat man meistens nur einen Geheimtext vorliegen und möchte den Schlüssel und den Klartext offenlegen. Manchmal hat man auch einen Vielzahl von Chiffraten vorliegen.Wenn nun schon ein Teil des Klartextes bekannt ist, kann man häufig zusammen mit dem Chiffrat den entsprechenden Teil des Schlüssels berechnen. Dies wird als "known-plaintext attack" bzw. "Klartext-Attacke" bezeichnet. Dabei ist es besonders praktisch, wenn bekannt ist, an welcher Stelle das Crib auftauchen würde. Nehmen wir beispielsweise einen verschlüsselten Geschäftsbrief. Dort ist es wahrscheinlich, dass der Klartext mit "Sehr geehrte Damen und Herren" beginnt und mit "Mit freundlichen Grüßen" endet.
Käme eine einfachere Chiffre wie Vigenere zum Einsatz und träfe die Annahme zu, könnte man so direkt aus Chiffratbuchstaben und Klartextbuchstaben die entsprechenden Schlüsselbuchstaben ermitteln. Den Schlüsselteil kann man dann auf weitere Teile des Chiffrats anwenden und so weitere Klartextteile (bzw. Schlüsselteile) aufdecken. Das ist alles nur eine Frage des Fleißes bzw. des Durchprobierens.
Das Wort Crib haben die britischen Codeknackern in Bletchley Park geprägt. Sie nutzten Cribs, um die deutsche Enigma-Verschlüsselung während des Zweiten Weltkriegs zu brechen. Auf deutsch heißt das englische "Crib" soviel wie "Spickzettel". Und es gab wohl auch einen großen "Spickzettel" von Alan Turing, den sogenannten "Eins-Katalog", auf dem alle Verschlüsselungsvarianten des häufig vorkommenden Wortes "Eins" alphabetisch sortiert aufgeführt waren. Da die Enigma keine Ziffern, sondern nur Buchstaben verarbeiten konnte, mussten Ziffern ausgeschrieben werden. Auf dem Spickzettel konnte ein Entzifferer nachschauen, ob ein Chiffratteil passend war und sich zu "Eins" übersetzen ließ und dann die Parameter für den Enigma-Schlüssel ablesen.
So definiert das Begriffs-Lexikon des Bletchley-Parks (1) von 1944 Crib auch als:
CRIB:zu deutsch:
A plain language (or code) passage of any length, usually obtained
by solving one or more cipher or code messages, and occurring or
believed likely to occur in a different cipher or code message,
which it may provide a means of solving.
CRIB:und schließt damit auch bekannte Chiffratteile ein, die sich aus bekannten Klartextteilen ergeben. Wie auf dem eben erwähnten Spickzettel.
Ein Klartext- oder Chiffrat-Teil beliebiger Länge, üblicherweise
durch das Lösen eines oder mehrerer Geheimtexte gewonnen, der
vermutlich in einem anderen Geheimtext vorkommen wird und zu
dessen Dechiffrierung hilfreich sein kann.
Heute würde man sich nicht mehr die Mühe machen, lange Listen mit Chiffratteilen zu berechnen und als Cribs auf Papier zu bringen. Stattdessen würde man eher eine Brute-Force-Attacke mit einem Computer fahren, also alle Möglichkeiten zum Entschlüsseln ausprobieren und dann die Ergebnis maschinell auf Plausibilität prüfen, indem man untersucht, ob ein vermuteter Klartextteil darin vorkommt.
Dabei ist es sehr hilfreich, den Kontext zu kennen. Bei Schatzkarten oder beim Geocaching ist es nicht unwahrscheinlich, dass darin Koordinaten enthalten sind. Dies entspräche den Cribs für die Ziffern, für "Grad", "Komma", "Punkt", "Minuten", "Sekunden", "Ost", "West", "Nord", "Süd".
Je nach kulturellen, politischem oder militärischen Kreis sind auch unterschiedliche Begrüßungs- und Schlussformeln üblich, die immer wieder vorkommen und das auch noch an der gleichen Stelle, nämlich am Anfang und am Ende.
Den Codeknackern im Bletchley-Park kam allgemein zugute, dass es damals zum guten Ton unter den Nazi-Deutschen gehörte, die Schlussformel "Heil Hitler" zu verwenden. Außerdem begannen die Nachrichten häufig mit den Buchstaben "ANX": "AN", um den Adressaten einzuleiten und "X" als Trennzeichen / Leerzeichenersatz.
In einem speziellen Fall funkte eine Station den Wetterbericht nach vorgegebenen Muster, so dass das Wort "Wetter" immer an gleicher Stelle im Klartext vorkam. So konnte unter Zuhilfenahme von Chiffrat und Crib ein Schlüsselteil ermittelt werden. Da der Schlüssel für einen ganzen Bereich der Wehrmacht pro Tag gleich war, konnte der Schlüsselteil auch auf andere Geheimnachrichten angewendet werden. Darunter auch welche, die sich mit wesentlich brisanteren Themen als dem Wetter beschäftigten.
Die regelmäßig gesendete gleichlautende Nachricht "Nichts zu melden" eines in der Kattara-Senke stationierten Offizier mag auf den ersten Blick unwichtig erscheinen, doch ließ sich so der Tagesschlüssel zuverlässig berechnen und war für die Codeknacker Gold wert.
Hätte die Enigma für die Verschlüsselung nicht nur eine polyalphabetische Substitution, sondern auch noch eine Transposition verwendet, um die Buchstaben danach noch durcheinander zu würfeln, wäre die Dechiffrierung mit Cribs sehr viel schwieriger gewesen.