Schilling von Cannstatt Telegrafie Code

Herkunft / Verwendung: Baron Paul Ludwig Schilling von Cannstatt (1786-1837, auch Pawel Lwowitsch Schilling von Cannstatt bzw. Canstatt) befasste sich in den 1810er bis 1830er Jahren mit der Telegrafie. Bei seinen mit Samuel Thomas von Soemmerring zusammen um 1812 angestellten Studien über und Experimente mit galvanischem Strom entstand die Idee, die Gasentwicklung, welche bei einer Elektrolyse in Wasser entsteht zur Übermittlung von Signalen über größere Entfernungen zu nutzen. So erfand er 1820 den ersten elektrochemischen Telegraphen.

Dieser Ein-Nadel-Telegraf, hatte eine Nadel, die nach rechts oder links ausschlug (ähnlich dem späteren Gauß-Weber-Telegrafen).

Für die Notation der zu übertragenden Zeichen werden die Buchstaben "l" für links und "r" für rechts benutzt. Eine Aneinanderreihung von Links-/Rechtsausschläge stand für jeweils ein Zeichen. Die Anzahl der Ausschläge variierte dabei je nach Häufigkeit des Buchstabens zwischen einem und fünf Zeichen, ähnlich wie bei dem späteren Morse-Code.

Von Cannstatts galvanischer Telegraf war allerdings in seiner Anwendung zu ungenau und zeitaufwendig und ihm war kein Erfolg beschieden. (1)

Von Cannstatt hielt aber an der Idee der Nachrichtenübermittlung mittels elektrischer Energie fest und nahm seine Forschungen in den früher 1830er Jahren wieder auf, nachdem er sich unter anderem am Abwehrkampf gegen Napoleon beteiligte und für das Außenministerium im Bereich der Kryptografie tätig war.

Er stellte seinen Telegrafie-Apparat auf elektromagnetische Wirkungsweise um und stattete ihn anfangs mit fünf Nadeln aus. Dazu waren fünf elektrische Zuleitungen und eine gemeinsame Rückleitung vonnöten. Zur Verstärkung der Wirkung hatte jede Leitung eine Spule, auch Multiplikator genannt, die eine Nadel ablenkte. Ein weiteres Beispiel für einen 5-Nadel-Telegraf ist der Wheatstone Cooke Telegraf von 1837.

Die für damalige Verhältnisse vielen Drahtleitungen und Nadeln stellten allerdings ein Problem dar und so vereinfachte Cannstatt Ende 1932 seine Apparatur und kam nunmehr mit nur einer Nadel und zwei elektrischen Leitungen aus. (3)
(3), S. 76
Der russische Staatsrat, Baron Schilling von Cannstadt erwarb sich daher ein großes Verdienst um die elektrische Telegrafie, als er Vorrichtungen angab, welche einerseits den zeichengebenden Apparat bedeutend vereinfachten und anderenseits nur zwei Leitungsdrählte erforderten.

Schilling benutzte in einem gegen das Ende des Jahres 1832 konstruierten Apparat nur einen einzigen Multiplikator [Spule] mit einer Nadel, und konnte gleichwohl durch schicklich angeordnete Kombinationen von den bald links, bald rechts erfolgenden Ablenkungen der zwischen den Multiplikator-Windungen schwebenden Magnetnadel alle erforderlichen Zeichen hervorbringen. Eine oder mehrere, nach der Rechten oder Linken bestimmer Ordnung erfolgende Ablenkungen nahm Schilling für ein einziges telegrafischen Zeichen.
Er zeigte bereits 1832 dem Zaren Nikolaus einige Teile seines neuen Telegrafen und stellte den vollendeten Apparat 1835 bei der "Versammlung der Naturforscher und Ärzte" in Bonn vor. Diesmal mit Erfolg.(1).

Die Nadel war magnetisch, ähnlich einer Magnetnadel in einem Kompass und hing innerhalb einer Spule. Wurde über die Zuleitung Strom durch diese Spule gegeben, so erzeugte diese ein elektromagnetisches Feld, an dem sich die Magnetnadel ausrichtete und ausschlug. Die Nadel konnte nach links oder nach rechts abgelenkt werden. An der Nadel war eine Papierscheibe befestigt, die auf der einen Hälfte schwarz und auf der anderen weiß war und sich entsprechend dem Nadelausschlag mitdrehte. Dadurch wurden die Ausschläge auch als schwarze oder weiße Fläche für den Betrachter sichtbar. Unterschiedliche weiß/schwarz-Abfolgen nutzte Cannstatt, um damit Buchstaben und andere Zeichen zu kodieren.

Damit die Nadel sich nicht zu weit drehte, wie sie es natürlicherweise im magnetischen Feld tun würde und nur kurze Ausschläge zu realisieren, war es nötig, den Strom nach einer kurzen Zeit wieder zu unterbrechen. Dies bewerkstelligste Cannstatt mittels eines kleinen waagerechten Platinbalken, der durch die Drehung in eine Quecksilberflüssigkeit eintauchte und so den Stromfluß wieder unterbrach. Dadurch wurde das hektische Pendeln rasch gebremst und man konnte nun besser ablesen, welche Position gemeint war.(1)

Die UdSSR rechnete von Cannstatt zu den bedeutenden russischen Erfindern und ehrte ihn 1987 anlässlich des 150-jährigen Jubiläums seiner Telegrafen - Erfindung mit der Herausgabe einer Briefmarke. Weitere Erfindungen wie das isolierte Stromkabel oder das Unterwasserkabel sind ebenfalls ihm zu verdanken. (1)

Spezifikation des Codes für den Ein-Zeiger-Telegrafen



Beispiel

Klartext:Beispielklartext
Kodiert:rrr r rr ll llrr rr r lrrr rrrl lrrr rl lrr l r lrlr l
B E I S P I E L K L A R T E X T rrr r rr ll llrr rr r lrrr rrrl lrrr rl lrr l r lrlr l

Code / Chiffre online dekodieren / entschlüsseln bzw. kodieren / verschlüsseln (Decoder / Encoder / Solver-Tool)

Quellen, Literaturverweise und weiterführende Links

(1) Schilling v. Canstatt bei schilling-association.org
(2) Shaffner, Tal. P.: The Telegraph Manual, New York 1867, S. 137
(3) Schellen, Heinrich: Der elektromagnetische Telegraph in den einzelnen Stadien seiner Entwicklung und in seiner gegenwärtigen Ausbildung und Anwendung, Braunschweig 1850, S. 76