Nomenklatoren (Code-Bücher)

Herkunft / Verwendung: Nomenklatoren sind Verzeichnisse, in denen Klartext und Codes niedergeschrieben sind; etwa so wie in einem Deutsch-Englisch-Wörterbuch deutsches Wort (Klartext) und englische Entsprechung (Code). In ihnen sind sämtliche Codes für ihre Klartextentsprechungen aufgeführt. Dies können einzelne Buchstaben (für das Buchstabieren), Silben, Wörter bis hin zu ganzen Sätzen sein. Der Code besteht meist aus 4 bis 6 Ziffern oder 4 bis 5 Buchstaben.

Nomenklatoren waren im 16 bis 18. Jahrhundert in der westlichen Welt sehr verbreitet und das Standardverschlüsselungsverfahren. Anfangs schrieb man die Klartext-Wörter alphabetisch sortiert nieder und daneben lückenlos und aufsteigend Nummern für die Codes. Das hatte den Vorteil, dass man nur einen Teil brauchte, um von Klartext zu Code zu übersetzen und umgekehrt. Die Schwäche ist aber auch offensichtlich: hat ein Angreifer etwa die Entsprechung München für den Code 500 gefunden, so weiß er, dass der Code 501 alphabetisch hinter München kommen muss und nicht allzu weit davon entfernt liegt, evtl. sogar mit gleichem Anfang (evtl. Münchhausen?).

Um dieser Schwäche entgegenzuwirken, benutzte man später zwei Teile. Der eine enthielt in alphabetischer Reihenfolge die Klartextwörter und in zufällige Reihenfolge die Codenummern für die Hinübersetzung und der zweite Teil die numerisch sortierten Codenummern und die unsortierten Klartextentsprechungen für die Rückübersetzung.

Weitere Sicherheit erreichte man durch Einsatz von Homophonen, also mehreren Codewörtern, die das gleiche Klartextäquivalent hatten. So hatte man für ein häufig benutztes Wort, etwa Panzer mehrere Möglichkeiten zur Auswahl, sollte der Begriff öfters in einer Nachricht vorkommen. Des Witeren gab es sogenannte Blender, Codes ohne Bedeutung, da unbesetzt, die man einstreuen konnte, um einen etwaigen unberechtigten Entzifferer zu verwirren. Der gewollte Empfänger würde die Blender erkennen und ignorieren.

Grundlage für die Sicherheit der Nomenklatoren ist absolute Geheimhaltung, denn das System beruht nicht auf einem variablen Schlüssel, und jeder, der den Nomenklator besitzt, kann alle jemals damit kodierten Dokumente entziffern. Was natürlich dem Kerckhoffs'schen Prinzip widerspricht.

Die teils sehr umfangreichen Werke hätten einen regelmäßigen Schlüsselaustausch sehr aufwändig gemacht, denn dies hätte das Neuschreiben und Neuverteilen des gesamten Nomenklator an alle Kommunikationspartner bedeutet.

Um 1700 hatten die Nomenklatoren zwei- bis dreitausend Einträge, Tendenz steigend. Neben den militärischen Nomenklatoren, die selbst noch in den Weltkriegen eingesetzt wurden, kamen mit Erfindung des Telegrafen Mitte des 19. Jahrhunderts kommerzielle Nomenklatoren auf. Das Telefon war noch nicht erfunden und eilige Meldungen (oder Bestellungen) wurden telegrafiert, was sich die Telegrafengesellschaften fürstlich und pro Wort bezahlen ließen.

Da lag es nahe, statt Bitte senden Sie uns alsbald 4000 Artikel mit der Nummer 4711 nur 3211 4000 4711 zu telegrafieren, was kodiert für dasselbe stand und wesentlich günstiger kam. Es wurde ganze Bände von Telegrafie-Nomenklatoren erfunden und publiziert, die sich Geschäftspartner kauften und dann benutzen konnten. Da diese Bücher öffentlich erworben werden konnten, war hier natürlich keine Geheimhaltung mehr gegeben.

Beispiele für Nomenklatoren

Päpstliche Nomenklatoren (ab ca. 1326)

Hier wurden Eigennamen zur Verschleierung durch andere Wörte ausgetauscht. So wurde etwa "Dominus X" (wobei X für einen Buchstaben von A bis R stand) für wichtige Personen enigesetzt.

Philipp II von Spanien (1527-1598)

benutzte einen Nomenklator mit etwa 400 Codewörtern. Er wurde 1590 durch Viete entziffert, der für König Henri IV arbeitete.

Um 1586: Geheimschrift der Maria Stuart

Maria Stuart, Königin von Schottland und Frankreich benutzte eine Geheimschrift, die nicht nur einzelne Buchstaben, sondern auch ganze Worte durch Symbole ersetzte. Ein eher kleinerer Nomenklator, der keine ganzen Bücher füllte.

Um 1660: Grande Chiffre (Große Chiffre)

Die Grande Chiffre wurde durch den Franzosen Antoine Rossignol und seinen Sohn Bonaventure Rossignol in Diensten des französischen Königs Ludwig XIV. (1638–1715) in dessen Cabinet noir (zu deutsch: Schwarze Kammer) entwickelt und war so effektiv, dass sie fast 200 Jahre lang in Verwendung war. Erst um 1890 gelang dem französischen Kryptoanalytiker Étienne Bazeries die Entzifferung der Großen Chiffre in 3-jähriger Arbeit. Damit konnten eine Reihe von Geheimdokumenten aus der Zeit Ludwig XIV. wieder lesbar gemacht werden, was den Historikern interessante Einblicke in die damaligen Verhältnisse erlaubte.

1779: George Washington, 1. Präsident der USA

ließ sich einen Nomenklator mit etwa 800 Einträgen von zwei seiner Agenten, Sam Woodhull und Robert Townsend (Decknamen Culper senior und Culper junior) entwerfen.

1785: Thomas Jefferson, 3. Präsident der USA

stellte ebenfalls einen Nomenklator auf.

1. Weltkrieg: Green Code des US State Departments

war noch ein einteilige Nomenklator, der Klartextwörter einem 5-stelligen Buchstabencode zuordnete (z. B. department = FYTIG).

1. Weltkrieg: SA Cipher der britischen Admiralität

benutzte fünfstellige Zahlencodes für Wörter und kurze Redewendungen

Im 1. Weltkrieg benutzte die deutsche Kriegsmarine

die Signalhefte "Signalbuch der Kaiserlichen Marine", das "Handelsschiffsverkehrsbuch" und das diplomatische Codebuch "13040", welches auch zur Verschlüsselung des berühmten Zimmermann-Telegramms (1917) benutzt wurde. Diese Signalhefte stellten alphabetisch sortieren Wörtern drei bis fünfstellige Zahlen gegenüber.

Im 2. Weltkrieg benutzte die deutsche Kriegsmarine

das sogenannte Kurzsignalheft, einen Nomenklator, in dem Befehle in allen Variationen aufgeführt waren: AAAA Beabsichtige gemeldete Feindstreitkräfte anzugreifen AAEE Beabsichtige Durchführung Unternehmung wie vorgesehen AAFF Beabsichtige Durchführung Unternehmung mit vollem Einsatz AAGG Beabsichtige Durchführung Unternehmung unter Vermeidung vollen Einsatzes In der Kaiserlich Japanischen Marine wurde ab dem 1. Juni 1939 den 2. Weltkrieg über

ein Code benutzt, den die US-amerikanischen Kryptoanalytiker "JN-25" tauften, wobei "JN" für Japanese Navy (Japanische Marine) steht und die "25" auf die Durchnummerierung zurückgeht. Bei JN-25 war ein zweiteiliges Verfahren: Zuerst wurde ein alphabetisch sortiertes Codebuch benutzt, das Wörter in Zahlen wandelte und danach fand noch einmal eine Überschlüsselung mittels eines Additivbuchs mit Zufallszahlen statt.

Die Codenummern hatten eine Art eingebaute Fehlerkorrektur, die den Code angreifbar machten: Alle Zahlen waren durch drei teilbar. Die etwa 27'500 Einträge des Codebuchs verteilten sich auf fünfstellige Zahlen von 00000 bis 99999. Das Additivbuch umfasste 30'000 fünfstellige Zahlen auf 300 Seiten, ebenfalls von 00000 bis 99999 gehend. Ab einem willkürlich gewählten Index aus dem Additivbuch wurden die Codezahlen aus dem Codebuch für die Wörter des Klartextes ohne Übertrag aufaddiert, so dass das Ergebnis fünfstellig blieb.

Dass die Codezahlen Vielfache von drei sein mussten, machten sich die US-amerikanischen Codebrecher zunutze, um den Index im Additivbuch heraussuchen zu können. Die Zahlenfolge aus "Rest aus Division drei" musste sich darin beim Vergleichen mit den Codezahlen wiederfinden lassen.

Die Japaner ersetzten das Additivbuch mehrmals: am 01.12.1940 mit JN-25B, am 01.08.1940 und am 04.12.1941. Das erschwerte die Entschlüsselung. Im August 1941 waren erst 2000 Codezahlen, also ca. 4 % bekannt. Dann tauschte man sich mit den Briten aus, die auch schon Teile des Codebuchs offengelegt hatten und verdoppelte so den Raum der bekannten Codezahlen.

Quellen, Literaturverweise und weiterführende Links

(5) NSA: JN-25